(Das gilt auch für die Milch- und Eierproduktion!)
Die interessantesten Aussagen des Artikels:
Mehr als drei Milliarden Kilogramm Schweinefleisch essen die Deutschen jedes Jahr. Hergestellt wird es zumeist in Tierfabriken, unter Bedingungen, die jeden vernünftigen Menschen erschaudern lassen. Dennoch drücken sich Politiker und Bürger bisher davor, zu entscheiden, ob eine derartige Form der Tierproduktion noch hinnehmbar ist.
Der Rückzug des Schweinezüchters war das vorerst letzte Kapitel einer erstaunlichen Geschichte über Willkür und Wut, über Gesetzesverstöße und hilflose Behörden, über die Macht der Agrarindustrie und das Versagen des Staates.
So gut wie immer, wenn Straathof eine seiner Anlagen errichtet hat, in Bayern oder Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt, haben Bürger dagegen protestiert. So gut wie immer ohne Erfolg. Jetzt blicken sie staunend auf das Jerichower Land: Sie sehen dort Beamte, die Straathof die Stirn bieten. Behörden, die gegen Gesetzesverstöße vorgehen. Einen Staat, der die Exzesse der Massentierhaltung bekämpft. So einen Staat kennen sie nicht. Solche Behörden gibt es bei ihnen nicht. Solche Beamte sind ihnen noch nicht begegnet.
Fragt man diese Menschen nach Straathof, schießt einem Wut entgegen. Doch diese Wut richtet sich nicht gegen den Schweinezüchter. Sie richtet sich gegen den Staat.
„Straathof macht doch nur, was ihm erlaubt wird“, sagt Ottfried Becker, „Politiker und Behörden, das sind doch unsere Feinde.“ Becker ist kein Anarchist, sondern Ingenieur für Brückenbau. Mit seiner Frau, einer Ärztin, lebt er seit 27 Jahren in Medow. Doch Becker hat sein Vertrauen in den Staat verloren.
Doch die Betriebe brachen die bestehenden Gesetze bisher mit einer Regelmäßigkeit, dass es wirkt, als loteten sie ihre Grenzen systematisch aus. Schmerzhafte Konsequenzen hatten sie dabei offenbar nicht zu befürchten. „Straathof musste das Gefühl haben: Wenn du hier sagst, du schaffst drei Arbeitsplätze, dann hast du Narrenfreiheit“, sagt ein Anwohner in Alt Tellin, der Straathof eigentlich wohlgesonnen ist und deswegen anonym bleiben will. Ein anderer sagt: „Unsere Behörden sind faul oder korrupt oder beides.“
Auch die andere landeseigene Gesellschaft, die LMS, unterstützte den Züchter bei seinem Bauvorhaben in Alt Tellin: Sie berechnete in einem Antrag die voraussichtliche Umweltbelastung seines Mastbetriebs.
Im Landtag von Sachsen-Anhalt ist Frederking agrarpolitische Sprecherin der Grünen. „Die Behörden sind nicht in der Lage, solche Industrieanlagen zu kontrollieren“, sagt sie. Die Anwälte des Schweine-Imperiums würden gegen viele Entscheidungen der Behörden klagen. Ämter, die sonst für die Kontrolle von Carports zuständig sind, geraten dabei schnell an ihre Grenzen – und verzichten aus Angst vor Klagen auf eine konsequente Regelauslegung: So erklärte ein Landrat in Brandenburg gegenüber mehreren Zeugen, sich bei Straathof bewusst zurückzuhalten.
Bestätigen die Richter das Tierhalteverbot, könnte dies der Anfang vom Ende sein für eine Form der Fleischproduktion, in der Verstöße gegen den Tierschutz keine Ausnahme, sondern die Regel sind. Für eine Industrie, für die offenbar oft nicht das Gesetz, sondern das Recht des Stärkeren gilt. Und für die Straathof nur eines von vielen Beispielen war.
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