«In Deutschland sterben jedes Jahr Zehntausende Tiere in brennenden Ställen. Die Gründe dafür sind seit Langem bekannt. Doch es geschieht nichts.»
«Auf deutschen Höfen brennt es immerzu, vergangenes Jahr rund 3000-mal, das macht im Schnitt acht Brände am Tag. Sehr häufig kommen dabei Tiere um – die Ställe werden zu Todesfallen, mit jährlich Zehntausenden Opfern. 2020 starben infolge solcher Feuer mindestens 55.864 Tiere, 2022: Mindestens 89.421. Im Jahr 2021, von dem später noch die Rede sein wird, waren es sogar noch viel mehr: mindestens 152.955. Das sind die Zahlen, die Stefan Stein zusammengetragen hat. Aus amtlichen Statistiken kann man sie nicht erfahren. Denn über diese Brände und ihre Toten führt offiziell niemand Buch.»
«Höhere Gewalt wie Blitzschläge sind in nur drei Prozent der Fälle die Ursache von Bränden auf landwirtschaftlichen Betrieben, wie eine Aufstellung der öffentlichen Versicherer ergibt. Zu 40 Prozent liegt es demnach an Brandstiftung. Sie gelte überwiegend leer stehenden Ställen. Ob dabei Versicherungsbetrug, radikaler Tierschutz oder noch andere Motive die Hauptrolle spielen, bleibt unklar. Zu weiteren 40 Prozent summieren sich die drei Brandursachen: feuergefährliche Arbeiten, menschliches Fehlverhalten, Elektrizität. Eine Kippe, ein Kurzschluss, und schon brennt der Stall.»
«Das »Fukushima der Tierindustrie« schreckte kurzzeitig auch die Politik auf. Im Juni 2021 berief die Agrarministerkonferenz der Länder gemeinsam mit dem Bundesministerium eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe ein, um den Brandschutz in großen Tierhaltungsanlagen zu bewerten. Ihr Ergebnisbericht ist ein Dokument des Versagens, und sein Sachstand gilt bis heute.»
«Das Papier der Ad-hoc-AG liegt seit Februar 2022 vor. Es forderte das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Bauministerkonferenz zum Handeln auf, ferner auch die Innenministerkonferenz, als Zuständige für die Feuerwehr. Klar war, dass die nötigen Maßnahmen sehr viel Geld kosten würden. Dann verschwand das Thema Brandschutz wieder von den Tagesordnungen, und nichts weiter passierte. Auf Nachfrage der ZEIT schreibt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums Anfang dieser Woche, für den baulichen Brandschutz sei das Haus nicht zuständig. Die zuständige Bauministerkonferenz wiederum halte »an ihrer Einschätzung fest, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen grundsätzlich ausreichend seien«.»
«Zu Hause in Egelsbach schreibt Stefan Stein immer wieder Briefe an die verantwortlichen Politiker, auch an Minister Özdemir schon mehrmals, zuletzt im März. In den Schreiben listet Stein all seine Befunde auf und endet stets mit den Worten: »Selbst für mich als Laie ist unschwer zu erkennen, dass hier ein umfangreicher Aufklärungs- und Handlungsbedarf besteht (...). Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich des Themas intensiv annehmen.« Eine Antwort, sagt Stein, habe er nie erhalten.»
https://www.zeit.de/2023/15/stallbraende-tierhaltung-feuer-brandschutz