DR. MED.
HENRICH STIFTUNG
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Newsletter ProVegan: Ausgabe 49/2022

«Pestizide: Die Tiere haben weniger Nachkommen und eine höhere Sterberate»

«Deutsche Wissenschaftler finden Pestizid-Cocktails an Orten, wo sie nicht hingehören – in Konzentrationen, die über dem Erlaubten liegen. Selbst die staatlichen Prüfer warnen, dass sie die wahren Risiken nicht kennen»

 

«Pflanzenschutzmittel zählen zu den wenigen synthetischen Chemikalien, die in großem Stil gezielt in die Umwelt freigesetzt werden dürfen – mehr als 450.000 Tonnen im Jahr wurden zuletzt in der EU verkauft, davon in Deutschland rund 86.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel, die 29.000 Tonnen Wirkstoff enthielten. Das entspricht umgerechnet etwa einem Kilogramm Pflanzenschutzmittel pro Einwohner. 281 verschiedene Wirkstoffe sind in Deutschland im Verkehr

 

«Die Rechtfertigung dafür ist simpel: Pestizide sollen hohe Ernten sicherstellen – für Tierfutter, pflanzliche Treibstoffe und Nahrung.»

 

«Pestizide greifen bei sehr grundlegenden Mechanismen in Lebewesen an. Sie sind in der Regel also nicht spezifisch auf bestimmte Arten unerwünschter Schädlinge abgestimmt, sondern wirken breit gegen eine Vielzahl von Lebewesen, wenn diese in der Nähe sind und eine gewisse Stoffmenge abbekommen.»

 

«Doch die Sorge, dass Pflanzenschutzmittel doch nicht so sicher sind wie behauptet, wächst. Mitte November haben Wissenschaftler des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) am Umweltbundesamt in Dessau, das für die Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist, alarmierende Forschungsergebnisse vorgestellt.»

 

«Die Erkenntnisse aus einem der führenden Umweltforschungsinstitute in Europa müssten eigentlich die Bundesregierung – allen voran Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) – in Alarm versetzen

 

«Özdemirs Ministerium hat sich aber zu einem Kurs entschieden, der Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) in der Öffentlichkeit wohl gehörig um die Ohren geflogen wäre: Die Fachleute des BMEL haben die Erkenntnisse der neuen Studien über Monate hinweg als „nicht repräsentativ" abgetan und es abgewehrt, umgehend Konsequenzen zu ziehen. Das Ministerium erklärte noch im Oktober bestehende Regeln für ausreichend: „Im Rahmen des Insektenschutzpaketes aus dem vorangegangenen Jahr sind Naturschutzgebiete, artenreiche Lebensräume sowie Gewässer und deren Randstreifen durch weitgehende Verbote der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln umfänglich geschützt”, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage – obwohl aktuelle Studien das genaue Gegenteil besagen

 

«Ökotoxikologe Carsten Brühl ist weder von den brisanten Ergebnissen aus Leipzig überrascht noch von der bisher sehr langsamen Reaktion des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Denn auch er hat bereits alarmierende Erkenntnisse nach Berlin und Brüssel gemeldet – und „dröhnendes Schweigen” geerntet, wie er sagt.»

 

«21 Amphibienarten leben in Deutschland. Dazu gehören Erdkröten, Gelbbauchunken und Teichmolche. Sie haben zwei große Gemeinsamkeiten: Ihre Haut ist im Vergleich zu anderen Tieren sehr durchlässig. Und ihre Bestände befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Jede zweite Art steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Das ist rund um den Globus ähnlich. Schon seit den 1990ern wird ein weltweites Amphibiensterben diagnostiziert. Neben einer Art Pilz-Pandemie, die Lurche befällt, zählen schon länger auch Pestizide zu den Verdächtigen.»

 

«Das Ergebnis hat den Forscher schockiert: Mit der Konzentration, die für den Einsatz auf dem Feld empfohlen wird, waren eine Woche nach der Pestiziddusche bei zwei der Produkte alle Frösche tot und bei vier der Proben etwa die Hälfte der Tiere. Bei einem der Pilzmittel waren sogar alle Amphibien nach nur einer Stunde verendet. Und selbst mit zehnfacher Verdünnung sind bei drei Produkten nach einer Woche 40 Prozent der Versuchstiere gestorben.»

 

«Brühl erwartete, dass schon seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung dazu in einem angesehenen Journal im Jahr 2013 die Behörden alarmieren und schnell dafür sorgen würde, dass Wirkstoffe auch für Amphibien nicht toxisch sein dürfen. „Aber es hat Jahre gedauert, bis die EU überhaupt eingestanden hat, dass es ein Problem gibt”, sagt er, „und bis jetzt hat sich an den Zulassungsverfahren nichts geändert.”»

 

«In solchen Schutzgebieten soll die Natur eigentlich sicher sein und sich von menschlichen Eingriffen erholen können. Doch die Ergebnisse der Universität Koblenz-Landau legen einen anderen Schluss nahe. Mit seinen leistungsfähigen Analysegeräten untersuchte Carsten Brühl die Insekten auf 92 der knapp 300 zugelassenen Wirkstoffe – und fand Rückstände von insgesamt 47 Pestiziden. Der Durchschnitt pro Probe lag bei 17 Wirkstoffen.»

 

«Ein anderes Forscherteam der Universität Koblenz-Landau hat in den vergangenen Jahren direkt nach Pestizidrückständen in Naturschutzgebieten gesucht – und ist fündig geworden. Weil von außen, zum Beispiel mit Flüssen und Bächen Pestizide in Naturschutzgebiete gelangen und in den vergangenen Jahren das Spritzen selbst in Schutzgebieten erlaubt war, böten die Reservate keinen echten Schutz, folgern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Publikation, die vor kurzem publiziert wurde.»

 

«Kommen neben Stressfaktoren wie Klimaveränderungen noch chronische Belastungen mit mehreren Pestiziden hinzu, kann das für Tier- und Pflanzenarten einfach zu viel sein. Dann verschwinden sie sukzessive und nur von wenigen Experten bemerkt, und die Landschaft ist wieder ein Stück ärmer.»

 

«Die Situation ist dramatisch, der Handlungsbedarf akut»

 

«EU-weit haben Ornithologen gerade einen Rückgang der Vogelarten, die typische für die Agrarlandschaft sind, um 60 Prozent seit dem Jahr 1980 diagnostiziert. Die ganze Natur ist betroffen: Ob Amphibien, Tagfalter oder Pflanzengruppen wie Orchideen – das einst pralle Leben ist auf dem Land auf dem Rückzug.»

 

«Die Biomasse, und damit wichtige Nahrung etwa für Vögel, war in 26 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Der öffentliche Aufschrei war weit über Deutschland hinaus groß. So schrieb etwa die New York Times vom „Insekten-Armageddon”

 

«Wer aber glaubt, dass die deutschen Behörden inzwischen gut im Bild darüber sind, wie sich die heimische Biodiversität entwickelt und wie Pestizide sich in der Agrarlandschaft verbreiten, irrt.»

 

«Da entstehen Pestizid-Cocktails mit schwer vorhersagbarer Giftigkeit»

 

«Pflanzenschutzmittel bringen für sensible Arten also einen langsamen, leisen Tod

 

«Beunruhigende Befunde kommen auch aus anderen Ländern. So fand ein Team um Jakub Hofman von der Universität Brünn in Tschechien in 75 Bodenproben 53 verschiedene Pestizide. Auch Monate nach der Anwendung waren in mehr als der Hälfte der Proben mehr als fünf verschiedene Wirkstoffe zu finden, oftmals über den eigentlich erlaubten Grenzwerten. „Da entstehen Pestizid-Cocktails mit schwer vorhersagbarer Giftigkeit”, resümiert der Forscher

 

«Pestizide sind nicht die einzigen Stressfaktoren für die Bewohner der Agrarlandschaft. Wichtige Lebensräume wie Hecken und Feldraine sind der Flurbereinigung zum Opfer gefallen oder wurden illegal entfernt – allein das ökologische Netz der Hecken ist seit 1950 etwa um die Hälfte geschrumpft. Überdüngung, Flächenfraß für Straßen und Wohnsiedlungen, Lichtverschmutzung und weitere Gefahrenquellen kommen hinzu. Alle diese Faktoren wirken zusammen – und genau das ist das Problem. Behörden schauen sich meistens jeden Stressfaktor isoliert an. Tiere bekommen aber alles gleichzeitig ab. Und in den Analysen sticht ein Faktor eindeutig hervor: Pestizide

 

«Quer durch Europa erklärte in der statistischen Auswertung aber nur ein einzelner Faktor am besten, wie armselig oder reichhaltig die Biodiversität in den jeweiligen Agrarlandschaften war: „Von den dreizehn Faktoren der landwirtschaftlichen Intensivierung die wir gemessen haben, hatte der Gebrauch von Insektiziden und Fungiziden konsequent negative Effekte auf die Biodiversität”folgern die Forscher. Ähnliche Ergebnisse ermittelte UFZ-Forscher Liess. Er untersuchte in den Gewässern acht Stressfaktoren, von Sauerstoffmangel bis zu Übersauerung. „Erhöhte Pestizidwerte waren mit Abstand der Stressfaktor mit den meisten negativen Folgen”, sagt Liess.»

 

«Biodiversität könne laut EU-Recht bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erst dann eine Rolle spielen, wenn es auf EU-Ebene wissenschaftliche Methoden zur Bewertung entsprechender Auswirkungen auf die Umwelt gebe. „Solche Methoden müssen von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA anerkannt sein. Zur Zeit gibt es diese Methoden noch nicht”, bekräftigte das BVL auf Anfrage. Das für diese Fragen zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig hat deshalb der Klage von Pestizidherstellern gegen zusätzliche Auflagen zum Schutz der Biodiversität stattgegeben.»

 

«Die Pestizidmengen, mit denen Lebewesen in der Landschaft konfrontiert sind, werden den Ergebnissen zufolge um den Faktor 38 unterschätzt, sagt der Forscher. Der Grenzwert für die erlaubte Dosis werde teils um den Faktor 500 überschritten. Und weil in der Realität so viele Stressfaktoren zusammenkommen, liege die Konzentration, ab der ein Wirkstoff die Hälfte der Tiere töte, in der freien Landschaft um den Faktor zehn bis hundert niedriger als im Labor

 

«Die Probleme hat das UBA auch in einem ausführlichen Report schriftlich festgehalten: Da steht, dass die zulässige Belastung an 73 Prozent der Messstellen durch mindestens ein Pflanzenschutzmittel überschritten worden ist. Die Studie lege zudem nahe, „dass auch Konzentrationen unterhalb der bestehenden Grenzwerte zu messbaren ökologischen Effekten führen können”, heißt es in dem Report.»

 

«Als letzter tritt bei der Präsentation der Monitoring-Ergebnisse Jörn Wogram ans Mikrofon, der am Umweltbundesamt den Fachbereich Pflanzenschutzmittel leitet. Er fasst unumwunden zusammen, die Studie habe die „unschöne Erkenntnis gebracht, dass im Gewässerschutz die Ziele des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz in Deutschland grundlegend verfehlt werden.” Wogram kritisiert, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium die Forschungsergebnisse schlichtweg nicht akzeptieren will.»

 

«Eigentlich hatten sich Bund und Länder im Nationalen Aktionsplan verpflichtet, selbst bis 2018 ein eigenes repräsentatives Monitoring durchzuführen. Nachdem der Staat vor der Aufgabe kapituliert hat, sprang das Umweltforschungszentrum Leipzig ein – aber muss nun darum kämpfen, dass die Ergebnisse anerkannt werden.»

 

«Die Spitzenverbände der deutschen und europäischen Landwirtschaft kämpfen aber gegen restriktive Auflagen beim Pflanzenschutz. Und nun hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine auch die Agrardebatte verändert. Der zeitweilige Lieferengpass beim Weizen auf dem Weltmarkt weckte Ängste vor einem dauerhaften Mangel. Dabei wird – obwohl zum Beispiel in Deutschland ein Großteil des Getreides für Tierfutter und Bioenergie eingesetzt wird und nicht etwa zum Brotbacken – gezielt auch die Angst vor einer Nahrungsknappheit eingesetzt.»

 

«Ehrlicherweise müsste sich Agrarminister Cem Özdemir nun vor die deutsche Öffentlichkeit stellen und sagen, was Sache ist: Die Regierung hat es schwarz auf weiß, dass im ganzen Land die Grenzwerte für Pestizide überschritten werden und die Natur viel mehr Schaden durch Pestizide nimmt, als der Staat bisher angenommen hat.»

 

«Deswegen müsste die Debatte um die Folgen des Ukrainekriegs in eine ganz andere Richtung gehen, folgert er: „Das zeigt doch, dass wir sowieso ein viel zu verletzliches Agrarsystem haben.” So stark auf Stoffe angewiesen zu sein, die breit gegen Lebewesen wirken, ist in dieser Betrachtung auch ein Risiko. Statt Standardmethode zu sein, müssten Pestizide schrittweise zu Notfallmitteln werden, die nur dann zum Einsatz kommen, wenn es unbedingt nötig ist, fordert Brühl: „Wir haben einfach zu lange zu ignorieren versucht, dass diese Stoffe schlichtweg dafür konzipiert sind, Lebewesen zu töten”, sagt er, „und die Folgen sehen wir in unserer Agrarlandschaft.”»

 

Anmerkung: Überall merken wir die schrecklichen Folgen der Kakistokratie, so auch in Umwelt und Landwirtschaft. Pestizide dienen letztlich nur der Profitgier der Pestizid- und Tierindustrie. Die Pestizidindustrie giert nach unethischen Profiten und die Tierindustrie braucht riesige Futtermittelmengen, um ihre blutigen Profite zu generieren. Die Politiker der Kakistokratie sind völlig unfähig und / oder völlig korrupt. Und eine Bevölkerung, die nicht versteht was geschieht, die noch nicht einmal versteht, dass sie es nicht versteht, wählt die intellektuelle und moralische Konkursmasse in die Regierungen. Das Ergebnis sehen wir bei den Ernährungsempfehlungen, bei den Coronamassnahmen, bei den gentechnischen Experimentalimpfungen, bei der Vergiftung der Umwelt und bei der Vernichtung sämtlicher Lebensgrundlagen.

 

https://www.riffreporter.de/de/umwelt/pestizide-risiken-natur-nahrungsketten-wissenschaft-uba-kleingewaesser